Ich habe vor einigen Jahren schon einmal einige Zeit "vegetarisch" gelebt - zumindest habe ich es damals so genannt, obwohl ich Fisch gegessen habe.
Meine Beweggründe waren sehr unausgegoren und der Ehrlichkeit halber muss ich gestehen, dass ich mich hauptsächlich deswegen so ernährt habe, weil ich es als schick empfand, etwas Besonderes zu sein und mit diesem wissenden Blick auf der Grillparty "Nein danke, ich bin VEGETARIERIN" sagen zu können. Klar, die Tiere taten mir auch irgendwie leid, aber was ihnen wirklich angetan wird, davon wusste ich damals kaum etwas, und wirklich wissen wollte ich es auch garnicht.
Kein Wunder also, dass das Intermezzo mit der (pseudo-) pflanzlichen Ernährung nur ein relativ kurzes war.
Als mein Mann beschloss, kein Fleisch und keinen Fisch mehr zu essen
(über seine Beweggründe und seine wunderbare Initiative "Laufen gegen
Leiden" erfahrt ihr
hier mehr), habe ich erst einmal mitgemacht, ohne mir wirklich eine eigene Meinung zu dem Thema zu bilden.
Als er wenig später beschloss vegan zu werden, sah die Geschichte schon anders aus. Ich habe mich erst einmal aus den ganzen üblichen Gründen dagegen gewehrt.
Mir war das alles viel zu anstrengend. Ich hatte keine Lust, Etiketten zu lesen. Keine Lust, das ohnehin schon eingeschränkte Angebot von Essens-Möglichkeiten rund um meine Arbeitsstelle noch mehr eingeschränkt zu sehen. Keine Lust auf gewohnte "Genüsse" zu verzichten. Keine Lust, mit Anderen Konfrontationen einzugehen. Keine Lust, mich bei Firmenfeiern und Einladungen erklären zu müssen. Keine Lust, mich einzulesen - weil - jetzt mal Tacheles - wie gesund ist denn so eine vegane Ernährung überhaupt? Und wenn wir schon dabei sind, muss ich dann auch aufhören, Lederschuhe zu tragen? Nee. Viel zu kompliziert alles.
Ungefähr zur selben Zeit bin ich schwanger geworden, und zu der Bequemlichkeit kam die ehrliche Sorge um mein Ungeborenes. Wer schon mal einen Schwangerschaftsratgeber in der Hand hatte, weiß bestimmt genau was ich meine.
Isst man nicht einmal die Woche fetten Seefisch, rotes Fleisch, täglich Geflügel, Joghurt, Milchprodukte, wird man praktisch schon vor der Geburt des Kindes zur Rabenmutter.
Und außerdem, vom Rabenmutter-Dasein ganz zu schweigen - nur so und nicht anders schützt man das Kind vor schwersten Fehlbildungen, Anämie und einem niedrigen IQ. Die Menge des konsumierten Seefischs steht quasi in direktem Zusammenhang mit der Abiturnote des Filius, die ausreichende Menge an verzehrten Milchprodukten ist unerlässliche Prävention für die drohende Osteoporose-Erkrankung der Tochter.
Wird vegane Ernährung überhaupt erwähnt, wird eindringlich davor gewarnt - damit ist eine gesunde Schwangerschaft praktisch auszuschließen, so der einhellige Tenor.
Ich fing an, mich abseits der Schwangerschafts- und Babybücher einzulesen und mir das erste Mal in meinem Leben wirklich Gedanken über meine Ernährung zu machen und wo ich welche Nährstoffe herbekomme. Und wo das Essen eigentlich so herkommt, das ich zu mir nehme.
Jeder kennt das. Man springt von Link zu Link, von Google-Suche zu Google-Suche, treibt sich in Foren rum und liest plötzlich von Dingen, nach denen man nie gefragt hat.
Von Geflügelfarmen. Von Regenwaldabholzung zugunsten von Futtermittel-Mais und -Soja. Stopfleber, und was das bedeutet, im Detail. Von Mastitis. Von wenige Stunden oder Tage alten Kälbern, die von ihren Müttern getrennt werden. Von Ketten, die Schweinen als Spielzeuge dienen sollen. Von Aquakulturen, voll mit wachstumsbeschleunigenden Hormonen und Antibiotika. Davon, dass nur in der Schweiz (als einzigem europäischen Land) Ferkel mit Betäubung kastriert werden. Laktosefreie Milch für eine Milliarde laktoseintolerante Asiaten. Von lebend gerupften Gänsen für Daunenjacken. Von Pangasius, der mit in Schleppnetzen gefangenen Fischen aus dem Meer gefüttert wird. Von Sauen, die mit Gittern vom Bewegen abgehalten werden, damit sie keines ihrer Ferkel in den engen Boxen zerdrücken. Von mit Steuergeldern subventionierter Massentierhaltung um Billigfleisch machbar zu machen. Von durch Massentierhaltung nitratverseuchten, unbrauchbar gewordenen deutschen Böden. Von nach Afrika exportiertem, überproduzierten europäischen Billig-Fleisch, das die Existenzgrundlage der dortigen Bauern zerstört. Von Diabetis, Fettleibigkeit, Herzkrankheiten. Die Liste ist endlos.
Und ohne, dass ich es wirklich geplant habe, kam mit dem neu erworbenen und wieder aufgefrischten Wissen der schleichende Abschied von sämtlichen tierischen Produkten. Eier habe ich nur noch sporadisch als Zutat in Backwaren gegessen, immer mit einem schlechten Gefühl. Und auch Milchprodukte habe nur noch sehr selten gegessen, alle zwei Wochen mal Parmesan über den Nudeln, oder eben auch die Butter als Backzutat im Rosinenbrötchen.
Aber gerade bei Milch saß die gelernte Weisheit, dass Milch gesund und sowieso unerlässlich für das Knochenwachstum sei, einfach zu tief, und so habe ich mich lang nicht getraut, diese ausgerechnet in der Schwangerschaft komplett vom Speiseplan zu streichen. Wobei die Menge an Milchprodukten, die ich zu diesem Zeitpunkt noch zu mir nahm, rückblickend beinahe lachhaft erscheint - selbst wenn Milch unverzichtbar wäre, hätte sie mir und meinem Kind in dieser homöopathischen Menge auch nichts mehr genutzt.
Als mein Sohn auf die Welt gekommen ist, kam zusammen mit dem Stillen das erste Mal wirklich die Konfrontation mit den Gräueln der Milchproduktion und dem tatsächlichen "Nutzen" von Kuhmilch als Nahrungsmittel.
Für mich ist der Gedanke, dass eine Kuh ihr Leben lang zwangsgeschwängert wird um ein Kälbchen nach dem anderen zu gebären, welches ihr ein ums andere Mal weggenommen wird nur damit wir ihre Milch trinken können, zu einer unglaublichen Monstrosität geworden.
Eine Kuh, so wie jedes Muttertier, hat den Drang, sich um ihr Junges zu kümmern und erlebt einen starken Trennungsschmerz, wird es ihr weggenommen. Das Leid des neugeborenen Kälbchens, welches entweder, sofern männlich, mit Milch-Ersatznahrung hochgemästet auf unseren Tellern landet, oder, sofern weiblich, das Schicksal seiner Mutter wird teilen müssen, kann und mag ich mir aus Selbstschutz nicht vorstellen.
Was den gesundheitlichen Aspekt betrifft, ist es meiner Meinung nach ein wunderbares Beispiel, dass jeder stillenden Mutter bei Verdauungs- oder Hautproblemen des Babys als Allererstes geraten wird, die Milchprodukte komplett für mehrere Wochen vom Speiseplan zu streichen - hmmm.... warte mal, war die Kuhmilch nicht so wichtig? Schon komisch, anscheinend geht es, wenn das Kindchen so häßliche gelbe Schüppchen auf dem Kopf hat, plötzlich auch komplett ohne.
Manchmal muss ich mich, obwohl es auch bei mir erst so kurz her ist, noch daran erinnern, dass viele "Omnivoren" einfach tatsächlich das Ausmaß der Auswirkungen der Massentierhaltung (noch) nicht kennen, aber ich bin zuversichtlich. Es wird sich viel ändern.
Und da bin ich nun wo ich bin. Frisch gebackene Mutter und Veganerin. Herzlich Willkommen in meinem Blog!